Grundlagen der Lesedidaktik. Band 2: Eigenständiges Lesen
Schulischer Leseunterricht macht häufig den Eindruck, dass die schwachen Leser(innen) vor dem Lesen bewahrt werden sollen: Möglichst kurze Texte werden gemeinsam in der Klasse gelesen und das Wichtigste wird anschließend von den guten Leser(innen) noch einmal für alle zusammengefasst. Verantwortung für den eigenen Leseprozess zu übernehmen und sich persönlich für das Leseverstehen zu engagieren, ist so für schwache Leser(innen) nicht notwendig. Aktuelle Leseförderkonzepte sehen daneben vor, einzelne Komponenten des Leseprozesses isoliert zu üben. Dieses Vorgehen ist für das Training basaler Lesefertigkeiten auch sinnvoll. Irgendwann besteht die Anforderung an die Schüler(innen) aber immer darin, mit einer großen Bandbreite unterschiedlicher und auch längerer Texte gelingend umgehen zu können: Diese müssen selbstständig nach aktuellen Zwecken und Bedürfnissen ausgewählt und verstehend gelesen werden, man muss selbst über Wichtiges und Unwichtiges und über Strategien der Verarbeitung entscheiden und die Inhalte mit dem eigenen Leben in Verbindung bringen. Schüler/innen sollen also letztlich nicht nur lesen lernen, sie sollen lernen, eigenständig zu lesen. Um diese Fähigkeit auszubilden, sind wiederum selbstgesteuerte Leseerlebnisse nötig. Da die Schule für viele Kinder der einzige Ort ist, an dem sie überhaupt mit Lesen und Literatur in Berührung kommen, muss die schulische Leseförderung diese Herausforderung annehmen. Das vorliegende Buch macht hierfür einen praktischen Vorschlag. Was eigenständiges Lesen dabei im Einzelnen bedeutet, welche Kompetenzen dafür erforderlich sind, wie man es diagnostiziert und wie man zu diesem Zweck geeignete Texte findet, sind Themen des vorliegenden Bandes zu den Grundlagen der Lesedidaktik.