#IchBinHanna - eine Hashtag-Story

#IchBinHanna - eine Hashtag-Story

In Universitäten und Forschungsinstituten Deutschlands brodelt es. Junge Wissenschaftler:innen prangern ihre oft prekären Arbeitsbedingungen an Hochschulen und Instituten an und fordern Reformen. Symbol des Protests und der Solidarität in der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist der Hashtag #IchBinHanna.

Ein Tweet mit diesem Hashtag – der nach einer fiktiven Doktorandin benannt ist und für unzählige junge Forscherinnen und Forscher steht – war der Auslöser zu einer breiten Protestbewegung in der Wissenschaft. Zentraler Kritikpunkt der Tweet-Autor:innen war – und ist – das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das 2007 eingeführt wurde. Es regelt die Befristung von Arbeitsverträgen im wissenschaftlichen Bereich und gilt für Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie für öffentlich geförderte Forschungsprojekte.

Laut WissZeitVG sollen wissenschaftliche Mitarbeiter grundsätzlich unbefristet eingestellt werden, es sei denn, es liegen sachliche Gründe für eine Befristung vor, wie z. B. die zeitliche Begrenzung eines Forschungsprojekts oder die Vertretung einer anderen Person. Im maximalen Befristungszeitraum von sechs Jahren können mehrere befristete Verträge abgeschlossen werden. Nach dieser Zeit muss eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erfolgen, wenn keine sachlichen Gründe für eine erneute Befristung vorliegen. Mit diesem Gesetz sind befristete Arbeitsverträge im Wissenschaftsbetrieb zur Norm geworden und junge Forscherinnen und Forscher wie „Hanna“ stecken in einem Dauerzustand permanenter Unsicherheit und auch Ausbeutung.

Die Kritik an dieser Situation brach sich spontan unter dem Hashtag #IchBinHanna Bahn. Als ob eine Schleuse geöffnet worden wäre, teilten Hunderte junger Wissenschaftler:innen ihre persönlichen Geschichten über befristete Verträge, fehlende Perspektiven und den Druck, unter dem sie stehen, auf dem Social-Media-Kanal Twitter (heute X).

Über den Beginn und die außerordentliche Entwicklung von „Hanna“ berichten die #IchBinHanna-Starter:innen Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon u. a. in „Perspektiven für Hanna“ (S. 15 ff.)
#IchBinHanna – Wie wir mit ein paar Tweets die deutsche Wissenschaft veränderten

Aus den sozialen Medien sprang #IchBinHanna an die Universitäten und Forschungsinstitute. In verschiedenen Universitätsstädten organisierten (meist junge) Wissenschaftler:innen Informationsveranstaltungen, Diskussionsrunden und Protestaktionen. #IchBinHanna löste eine breite Zustimmungswelle aus und erhielt schon bald Unterstützung von Gewerkschaften, politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Auch etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brachten ihre Solidarität zum Ausdruck und forderten strukturelle Veränderungen.

Die Medien griffen die Kampagne ebenfalls auf, und „Hanna“ wurde bald zu einem Symbol für die prekären Arbeitsverhältnisse junger Wissenschaftler:innen. Trotz Widerständen und Gegenreaktionen einiger Institutionen und Entscheidungsträger:innen gewinnt #IchBinHanna weiter an Momentum. Die Forderungen nach einer Reform des Wissenschaftszeitarbeitsgesetzes werden lauter und politische Diskussionen über die Zukunft der akademischen Beschäftigung sind im Gange. Besonders die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert nachdrücklich eine Neugestaltung des Gesetztes.

Einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion gibt der GEW-Band „Perspektiven für Hanna“ zur 11. GEW-Wissenschaftskonferenz. In den Beiträgen des Sammelbandes plädieren Expert:innen aus Hochschule, Forschung, Politik und Wissenschaftsorganisationen u. a. für eine Entfristungsoffensive, um mehr Kontinuität und Verlässlichkeit in der Arbeit zu gewährleisten und die Qualität von Lehre und Forschung ebenso zu sichern wie individuelle Perspektiven für Wissenschaftler:innen.

Die Diskussion auf der Wissenschaftskonferenz und die Publikation sind wichtige Schritte, um das Bewusstsein für die prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu schärfen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung zu entwickeln.

Ein Fazit von #IchBinHanna: Es wird dringend Zeit, dass Politik und Entscheidungsträger:innen beim Thema gerechtere und nachhaltigere Arbeitsgrundlage in der Wissenschaft handeln.

 

Leseempfehlung (alle Bände OpenAccess)

Perspektiven für Hanna
Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen

Lust oder Frust – Qualität von Lehre und Studium auf dem Prüfstand
 

 

Infos und Hintergründe zu #IchBinHanna

Wikipediaeintrag IchbinHanna

Website Bundesministerium Bildung und Forschung zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Website Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu IchBinHanna

geschrieben am 25.03.2024

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Schlagworte: Wissenschaft