Hintergrund zum Projekt
Hypothese 1
Die Finanzierung von Open-Access-Publikationen braucht eine Disziplinorientierung, weil nur hierdurch langfristig eine Verbindlichkeit und die Beteiligung der Community gegeben sind.
Wissenschaft, Verlage, Bibliotheken und Dienstleister suchen nach tragbaren Finanzierungsmodellen für den kostenlosen Zugang zu digitalen wissenschaftlichen Publikationen. Die Open-Access-Finanzierung ist oft abhängig vom Zugang einzelner Wissenschaftler:innen zu Publikationsfonds an den Standorten einzelner Universitäten oder der Zugehörigkeit zu einer wissenschaftlichen Einrichtung. Auf diese Weise ist es zwar möglich, eine einzelne Publikation zu realisieren, aber die Planung von Reihen und die Beteiligung mehrerer Autor:innen verschiedener Standorte oder Einrichtungen wird so für alle Beteiligten zu einem aufwendigen und schwer planbaren Prozedere.
Wir sehen Autor:innen weniger als Angehörige einer bestimmten Universität, sondern vielmehr als Teil ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin, in der sie lehren, forschen, publizieren und natürlich auch Inhalte rezipieren. Kurioserweise kam diese Perspektive in der Diskussion um Open Access bisher kaum vor. Die Bedingungen für die finanzielle Förderung einzelner Titel ist somit nicht nur sehr mühsam zu recherchieren, sondern es ist auch kaum möglich, konsequent Reihen als Open-Access-Reihen zu gründen oder bestehende zu transformieren, weil die Inanspruchnahme der verschiedenen Publikationsfonds je nach lokaler Zugehörigkeit der Autor:innen oder Herausgeber:innen sehr unterschiedlich geregelt ist. Mindestens eines der neuen Finanzierungsmodelle im Kontext der Open-Access-Transformation, bspw. die Idee des Crowdfunding, kann unserer Ansicht nach dieses Dilemma auflösen, weil sie Akteure entlang des Programms einer Disziplin zusammenführt, den Community-Gedanken fördert und Rahmenbedingungen für ein verlässliches Commitment schafft.
Hypothese 2
Die Finanzierung von Open-Access-Publikationen über Dritte steigt signifikant, wenn die finanzielle Beteiligung der Autor:innen entfällt.
Ein weiteres Ziel unseres zu entwickelnden Finanzierungsmodells besteht darin, die in den kleinen Disziplinen bisher nach wie vor notwendige Autorenbeteiligung aufzulösen und diese auf die Schultern der „Crowd”, also hier des Netzwerkes fördernder Bibliotheken, Institutionen und Fachgesellschaften, zu verlagern. Aktuell werden die Reihenpublikationen durch Publikationszuschüsse von Autor:innen und Abverkäufe finanziert. Für einige Publikationen war es möglich, 2019 in einem Pilotprojekt über Crowdfunding Zuschüsse von Bibliotheken (sogenannte Pledges, also Finanzierungszusagen) für die Open-Access-Veröffentlichung zu erhalten. Im Rahmen unseres ersten Crowdfunding-Projekts haben wir von einigen (nicht allen) Bibliotheken das Feedback erhalten, dass diese sich nur an einer Finanzierung beteiligen, wenn die Beiträge für die Autor:innen entfallen. Derzeit sind diese jedoch notwendig (sie decken anteilig die Kosten für Satz, Korrektorat und die professionelle Gestaltung von Grafiken und Abbildungen), da die Finanzierungshöhe pro Titel den einzelnen Bibliotheken sonst zu hoch erscheint und diese sich dann nicht an der Finanzierung beteiligen.
Unser Ziel ist neben der Beteiligung von Bibliotheken mit starken Fachbereichen die Einbindung von Fachinformationsdiensten und weiteren wichtigen Institutionen innerhalb der Disziplinen, die sich langfristig für „ihre Wissenschaftler:innen” engagieren, damit die Autorenbeteiligung entfallen kann. Mit diesen Akteuren wollen wir faire Co-Publishing-Modelle entwickeln. Eine solche Konsortialstruktur kann ggf. erweitert werden um andere Verlage, die auch in den jeweiligen Disziplinen publizieren. Es ist denkbar, dass die Fachgesellschaften Vertreter:innen für erweiterte Review-Boards zur inhaltlichen Qualitätssicherung benennen. Hier gilt es, die Erwartungen und Ideen aller Beteiligten auszuloten, sodass eine größtmögliche Form der langfristigen Beteiligung und Verbindlichkeit gefunden werden kann. Auf diese Weise streben wir eine nachhaltige Struktur der Open-Access-Finanzierung an, die nach der Projektförderung durch das Commitment der Community-Akteure erreicht wird.
Im Open-Access-Publishing gibt es nicht die eine „One-size-fits-all-Lösung”. Wir wollen bei den fördernden Einrichtungen die Perspektive auf die Disziplinen stärken: Wissenschaftler:innen sind nicht ihr ganzes Leben an ein und derselben Universität, sie wechseln im Laufe ihrer Biografie häufig den Standort oder die Einrichtung. Ihrer Disziplin jedoch bleiben sie weitaus länger verbunden. Daran wollen wir uns orientieren, wenn wir über das Ermöglichen von Open Access nachdenken.
Zielsetzung des Projektes
Das Projekt OAdine hat zum Ziel, stärker disziplinorientierte Open-Access-Monografien in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu ermöglichen und gleichzeitig durch die direkte Transformation der eigenen Front- und Backlist die Anzahl renommierter und qualitätsgesicherter Open-Access-Monografien in diesen Disziplinen schneller zu erhöhen.
Ein guter erster Ansatz, um Open Access verstärkt mit Blick auf die jeweilige Disziplin, statt nur auf die einzelne Forschungsinstitution umzusetzen, war bisher Crowdfunding. Dies bringt aber momentan leider auch mit sich, dass aufgrund der noch verhältnismäßig kleinen Anzahl von Fördernden („Enablern”) immer auch mit einem Autorenbeitrag kalkuliert werden muss. Dieser soll perspektivisch entfallen.
Eine weitere Schwierigkeit stellt derzeit die Nachhaltigkeit dar. Crowdfunding in der aktuellen Form ist keine regelmäßige, langfristige Förderung, sondern eine jährlich einmalige Vereinbarung darüber, für einen Fachbereich eine feste Anzahl Publikationen innerhalb eines Jahres vorzufinanzieren. In jedem neuen Jahr entsteht bei diesem Prozedere für alle beteiligten Verlage, Infrastrukturanbieter, fördernde Institutionen sowie Autor:innen und Herausgeber:innen viel Unsicherheit und Organisationsaufwand. Solange nicht feststeht, ob sich genug Fördernde finden, ist nicht sicher, ob eine Publikation im Open Access oder auf traditionellem Wege erscheint. Darüber hinaus führt dies dazu, dass bei Publikationen, die sich auf das nächste Kalenderjahr verschieben, plötzlich die Förderung wegbricht. Förderstrukturen, die längere Zeiträume abdecken und transparent mit mehr oder weniger festen Budgets arbeiten können, wären in der Lage, diese Probleme abzufangen.
Solche Strukturen existieren bisher aber hauptsächlich standortbezogen (vgl. z. B. die in den letzten Jahren erfreulicherweise immer häufiger werdenden Open-Access-Publikationsfonds der Bibliotheken an Hochschulen). Damit lässt sich allerdings nach wie vor nur schwer ein Finanzierungskonzept für die künftigen Titel einer Reihe aufstellen, da die Finanzierung abhängig ist von der Zugehörigkeit der Autor:innen als Wissenschaftler:innen zu einer bestimmten (finanzierenden oder auch nicht finanzierenden) Einrichtung.
Unser Ziel ist ein Konsortialmodell für die Finanzierung von Open-Access-Publikationen, das sich durch seinen Disziplinbezug definiert und damit im besten Fall sogar auf andere Disziplinen übertragbar wird. Denkbar sind neben der Beteiligung von Bibliotheken mit entsprechend großen Fachbereichen auch disziplinär wichtige Forschungseinrichtungen und Repositorien-Betreiber, die als Fachinformationsdienste verbindlich relevante Anteile der Finanzierung übernehmen. Weiterhin wollen wir Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) mit ihren jeweiligen Sektionen für eine nachhaltige und disziplinspezifische Finanzierung gewinnen.